Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch.
Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. (aus dem Matthäusevangelium 5, 9)
Der heutige 9. November ist geschichtsträchtig. Wir dürfen nicht vergessen, was geschehen ist, und erinnern uns deshalb an die Revolution 1848, an die Novemberrevolution 1918, an den Putsch Hitlers und Ludendorffs 1923, an die Novemberprogrome 1938. Wir erinnern uns auch an die Friedliche Revolution 1989 und die Öffnung der Grenze, die Deutschland teilte.
Heute beginnt die Friedensdekade. Wir wollen nicht vergessen, was geschehen ist, und alles tun, was dem Frieden dient. Dazu suchen wir in Gottes Wort Ermutigung und Orientierung. In der Woche setzt sich das fort mit den Friedensgebeten, zu denen wir täglich einladen.
Jesus spricht: Liebt eure Feinde. Tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen. Betet für die, die euch beschimpfen. Schlägt dich einer auf die eine Wange, halte ihm auch die andere hin. Und nimmt dir einer den Mantel weg, überlasse ihm auch das Hemd. Gib jedem das, worum er dich bittet. Und wenn dir jemand etwas wegnimmt, das dir gehört, dann fordere es nicht zurück. Genau so, wie ihr behandelt werden wollt, behandelt auch die anderen. Wenn ihr nur die liebt, die euch auch lieben: Welchen besonderen Dank erwartet ihr da von Gott? Sogar die Menschen, die voller Schuld sind, lieben ja die, von denen sie geliebt werden.Liebt also auch eure Feinde. Dann werdet ihr großen Lohn empfangen und Kinder des Höchsten sein. (aus dem Lukasevangelium 6, 27-38)
Wir nähern uns dem Ende des Kirchenjahres. Heute ist der drittletzte desselben. Haben wir uns in der Trinitatiszeit – den Sommer über bis in den Herbst hinein – mit vielen Themen des kirchlichen Lebens beschäftigt, geht es in unseren Gottesdiensten jetzt um das endzeitliche Kommen des Menschensohnes. Er kommt zu richten, das bekennen wir regelmäßig. Dieses Bekenntnis schließt die Frage ein, was er wie und wonach denn richten wird.
„Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“, das hat Dietrich Bonhoeffer gesagt und damit verlangt, den vorletzten Dingen eine größere Aufmerksamkeit zu widmen als üblich. Denn kreisen in unserer Kirche die Gedanken bei jedem Abschied, bei jedem Verlust oft um die unendliche und ewige Güte und Barmherzigkeit des Vaters im Himmel, entbindet uns das nicht vom verantwortlichen Tun – solange, bis es denn soweit ist, dass wir und alles Andere das Zeitliche segnen. Denn ist es nicht vielmehr so: Im Vertrauen darauf, dass wir dereinst flüchten in die Arme des liebevollen Vaters, könnten wir uns täglich neu üben in einem liebevollen Umgang. Und mit der Verheißung des ewigen Friedens im Ohr sollten wir doch wohl gern heute schon Friedensboten sein können. Wir werden mit all unseren Versuchen und Bemühungen in Sachen Liebe und Frieden am Ende der Tage vor dem Richterstuhl Gottes dastehen und rechtfertigen müssen und rechtfertigen lassen, was wir getan und was wir nicht getan haben. Wie stehen wir dann da? Wenn wir uns das nicht bildlich vorstellen wollen, könnte die Frage auch so formuliert werden: Welche Rolle hat unser Glaube an die unendliche Liebe und den ewigen Frieden gespielt – bei allem, was wir zu entscheiden hatten, und in dem, wie wir gehandelt haben?
Diese Frage, was gut ist zu tun, treibt nicht nur uns um. Sie ist Ausgangspunkt aller ethischen Überlegungen. Dabei geht es nicht nur darum, auszudiskutieren, was gut ist zu tun. Es geht auch darum, glücklich zu sein. Beides miteinander verbunden, bedeutet: Gutes zu tun, soll glücklich machen. Unweigerlich eckt man damit an, denn das eigene Glück ist auch das Glück der anderen. Wer nur auf Kosten anderer glücklich sein möchte, wird irgendwann einsam enden. Denn wer ist schon gern mit einem Menschen zusammen, der das Gute nur für sich in Anspruch nimmt. Deshalb hat das, was glücklich macht, mit anderen zu tun. Und wer Gutes tun möchte, darf dabei seine Mitmenschen und seine Mitwelt nicht aus dem Blick verlieren.
Mehr und mehr erkennen wir wieder, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind. Es scheint fast so, als dass die „guten alten Zeiten“ wieder anbrechen könnten. Das sind in der Erzählung der Alten Zeiten gewesen, in denen man mehr miteinander austauschte als nur einen kurzen Gruß. Man nahm manchmal neugierig, aber oftmals auch mit ganzem Herzen Anteil am Leben der Freunde und Freundinnen, der Nachbarn und Nachbarinnen, der Kollegen und Kolleginnen. Man half sich. Man tat einander Gutes auch, weil man im Gegenzug gern Hilfe und Unterstützung annahm. Weil man eben darauf angewiesen war. Not schweißt zusammen.
Umso deutlicher erscheint demgegenüber das Revolutionäre der Feindesliebe. Einen Feind, eine Feindin zu lieben, heißt, jemandem freundlich, sogar liebevoll zu begegnen und gleichzeitig mit dem Schlimmsten rechnen zu müssen. Das setzt die sonst gängigen Mechanismen unseres Denkens und Tuns außer Kraft. Und vielleicht bezweckt dieser Aufruf „Liebt eure Feinde!“ genau das: das Außerkraftsetzen eingefahrener Strukturen. Man muss sich deshalb noch lange nicht willenlos und wehrlos verprügeln lassen. Der Gewalt kommt man möglicherweise auch zuvor, indem man den ersten Schritt auf den anderen zugeht. „Frage nach, wo immer du Unrecht begegnest, lass dir erklären das Wie, Wo und Warum! Indem du dich einmischst, den anderen befragst, ihn zu einer Antwort aufforderst, es dir von ihm oder ihr erklären lässt, hast du meistens schon etwas bewirkt. Im Dialog haben zwei über einen Sachverhalt nachgedacht, der sonst nicht in unser reflektiertes Bewusstsein aufgestiegen wäre ... Gewonnen wird die Humanität nie in der Einsamkeit und nie dadurch, dass einer sein Werk der Öffentlichkeit übergibt. Nur wer sein Leben und seine Person mit in das Wagnis der Öffentlichkeit nimmt, kann sie erreichen.“ (Hannah Arendt) Sich dem Feind in den Weg zu stellen, die Feindin in ein Gespräch zu verwickeln, sich mit den Anfeindungen auseinanderzusetzen, kann entlarven und entwaffnen, noch bevor es knallt. Wenn, ja, wenn wir früh genug damit beginnen. Und das erfordert Mut und ein klares Bekenntnis zur Liebe und zum Frieden, zum Guten und dem Glück.
Die finanziellen Mittel dafür werden knapp. Wir erleben mit, dass beziehungsstiftende Maßnahmen nicht mehr oder nur noch wenig unterstützt werden: das Geld für Demokratie stärkende Einrichtungen wird gestrichen. Es ist zum Verzweifeln. Oder ein Aufruf, sich auch der Resignation in den Weg zu stellen. Diese Resignation, das Kopf-in-den-Sand-Stecken, gleichgültig zu werden – das ist uns nicht weniger Feind als der Feind selbst. Sich wieder darauf zu besinnen, dass alle gefragt und verantwortlich sind, sich dann zu verbünden und mit vereinten Kräften soviel Gutes zu tun, wie nur geht, kann dagegen Schlimmes verhindern. Zumindest können wir uns am Ende aller Tage dann sagen und sagen lassen: Wir haben versucht und getan, was in unserer Macht stand. Woher wir die Kraft dafür nehmen? Wir schöpfen sie aus dem Glauben an die Umarmung Gottes, der uns schon sehnsüchtig erwartet an diesem Ende aller Tage, am Ziel aller Wege. Wir schöpfen sie aus der Gewissheit, dass der Gott des Friedens begeistert sein wird von jedem friedlichen Moment, den wir erleben konnten und von dem wir ihm berichten werden. Und das Beste ist: Nichts davon ist mit Geld zu bezahlen. Deshalb kann nichts davon gekürzt werden. Niemand wird einen Rotstift ansetzen können, weil wir aus der Fülle unendlicher Liebe und ewigen Friedens schöpfen. Wenn wir den Mut dazu haben. Amen.
Lasst uns beten:
Gott, es ist ein Geschenk, glauben zu können, dass wir aus der Fülle unendlicher Liebe schöpfen und Werkzeuge ewigen Friedens sind. Im Vertrauen darauf bitten wir Dich angesichts der unüberschaubaren Probleme, Konflikte und Katastrophen: Stärke immer wieder unseren Glauben und unser Vertrauen, dass wir nicht aufgeben. Deine Kraft kann durch uns Gutes bewirken, damit am Ende aller Tage auch daraus Deine Schöpfung zu neuem Leben erwacht.
Wir beten für die Menschen, die unter Gewalt und Unterdrückung leiden, die in Angst und Unfrieden leben müssen, denen nach dem Leben getrachtet wird, für die, die Opfer sind von Hass, Krieg und Terror.
Wir beten für die Menschen, die auf der Flucht sind vor Krieg und Gewalt, die ihre Angehörigen verloren haben und ihre Heimat. Für die Kinder, die in einer Welt voller Hass und Gewalt aufwachsen müssen.
Wir beten für die Menschen, die alle Hoffnung auf Frieden verloren haben, die müde geworden sind, dafür zu kämpfen. Wir beten für alle, die vom Geist des Friedens beflügelt sind, die überall auf der Welt Zeichen des Friedens und der Hoffnung setzen, die es wagen, in einer Welt der Gewalt gewaltfrei zu leben.
Wir beten für unsere Kirche, dass sie ein Ort des Friedens und der Versöhnung ist, dass sie sich öffnet, um den Geist der Liebe und des Friedens hinauszulassen in die Welt.
Wir beten für alle und – weil wir es nur gemeinsam schaffen – beten wir auch für uns, dass wir an einer Welt bauen, in der Frieden und Gerechtigkeit wohnen, dass es gelingt, die Mauern der Angst, der Gewalt und des Hasses zu durchbrechen. Lenke unsere Schritte auf den Weg des Friedens.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gibt uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Amen
Die Glocken unserer Kirche läuten zum Innehalten und zum Gebet: werktags um 8 Uhr, um 12 Uhr und um 18 Uhr.
Die Kirche ist Montag bis Freitag von 10-16 Uhr und am Sonntag nach dem Gottesdienst bis 12 Uhr geöffnet.
Das sind unsere Kontaktdaten:
Marion Steffen im Büro - 03834 2263 Pastor Dr. Bernd Magedanz - 03834 8477052 Pastorin Dr. Ulrike Streckenbach - 03834 886104 Angela Jütte im Treffpunkt Kirche - 03834 883375 Nachbarschaftshilfe - 0162 7687770
Wir grüßen Sie im Namen des Kirchengemeinderates und aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an St. Marien herzlich.
Ihre Pastorin Dr. Ulrike Streckenbach und Ihr Pastor Dr. Magedanz