Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch.
Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern. (Psalm 66, 5)
Einladender kann es nicht klingen: Kommt und seht die Wunder! Angesprochen sind alle, die in freudiger Erwartung bereits aufgebrochen sind. Angesprochen sind auch diejenigen, die noch zögern. Uns alle erwartet etwas wunderbar Überraschendes.
Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen: Lasst uns ans andre Ufer fahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm. Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind! (aus dem Markusevangelium 4, 35-41)
Die Geschichte von der Stillung des Sturms auf dem Meer gehört zu den beliebtesten Kindergottesdienstgeschichten. Wir erzählen sie mit Biblischen Erzählfiguren und mit allem, was an Requisiten dazu gehört. Wir blättern dazu in Bilderbüchern oder spielen die Geschichte selbst in Kostümen verkleidet nach. Denn was erzählt wird, gehört bereits zum Alltag eines Kindes. Da gibt es das Chaos. Kinder können dieses Chaos, dieses Durcheinander überhaupt nicht mehr überblicken. Sie sind dem schutzlos und wehrlos und hilflos ausgeliefert und drohen, darin zu ertrinken. Das Chaos – das sind Gegenstände jeglicher Art, die gedankenlos herumliegen. Das sind Wörter, die achtlos durch den Raum gebrüllt werden. Das ist eine Flut an Informationen, die auf die Kinder einströmen. Das sind die eigenen Gedanken und Gefühle von Angst und Trauer, Neid und Wut – ein heilloses Durcheinander. Die Rettung ist jemand, der wieder für Ruhe sorgen kann. Er steht auf und gebietet dem, was alles durcheinanderbringt, Einhalt. So als ob das Chaos erstarrt, damit es angesehen, beurteilt und begutachtet werden kann. Damit es daraufhin sortiert, eingeordnet und auf den richtigen Platz gestellt und gesetzt werden kann. Wir erzählen den Kindern die Geschichte von der Stillung des Sturms, damit sie es hören und auch erleben mögen, dass es das gibt: Jemand ist da, der für Ruhe sorgt, und der einen rettet, um nicht in der überbordenden Fülle an äußeren und inneren Eindrücken zu ertrinken. So wächst Vertrauen ins Leben.
Wenn wir älter werden und diese Geschichte hören, erinnern wir uns daran, was wir als Kinder gehört und erlebt haben. Wir sind aber auch noch einmal anders berührt. Denn wir haben die Angst im Chaos schon unzählige Male erlebt. Grenzwertigen Situationen wurden wir aber immer besser Herr – auch im Vertrauen darauf, dass wir unterstützt werden. Zu einem großen Geschenk wurde währenddessen dann aber vor allem auch die Erfahrung von Stille. Einer Stille – wie sie sich ausbreitet wie ein Raum um uns und in uns, in dem wir behütet und beschützt, gehalten und getragen werden. In diesem Moment müssen wir nichts mehr. Wir müssen nicht stark sein. Wir müssen nicht für andere da sein. Wir müssen keine Probleme lösen. Wir sind einfach nur wir, so, wie wir gerade sind. Die Probleme sind damit noch nicht gelöst. Und die Anforderungen an uns sind damit noch nicht erfüllt. Aber wir stellen uns diesen Problemen und diesen Anforderungen anders nach solchen Erfahrungen: wir sind uns unserer besser bewusst geworden, wir sind selbstbewusster geworden. Weil wir erlebt haben, dass wir in etwas Unsichtbarem behütet sind. Und zwar unabhängig von allem, was uns anficht. Man muss es noch gar nicht selbst so erlebt haben, es genügt allein der Glaube daran, so etwas ersehnen zu dürfen: einen Raum der Stille und Zeit, die still steht.
Ich hab vor ein paar Tagen den Film „In Liebe, eure Hilde“ gesehen. Es ging darin um Hilde Coppi. Sie war Mitglied der sogenannten „Roten Kapelle“, einer Widerstandsgruppe im Nationalsozialismus. Es ging in dem Film auch um den Nationalsozialismus. Im Mittelpunkt stand aber vorrangig diese Frau: mit ihrem gesunden Menschenverstand, klug und intelligent, mit ihrem Herzen auf dem rechten Fleck, mit Menschenliebe begabt und mit einem Verantwortungsbewusstsein, eine junge Frau, die liebt und im Zuchthaus ihr Kind zur Welt bringt. Sie hatte sich entschieden zu sein, wie sie ist. Dafür wurde sie des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. In der Reihe derer, die wie sie auf die Hinrichtung warten, hebt sie die Augen auf und entdeckt sie: die untergehende Sonne, noch nicht hinter der Gefängnismauer verschwunden. Und sie lässt sich einfangen, gibt sich dem hin: dem Licht und der Wärme. Und es ward eine große Stille.
Dieses Beispiel führt uns zu einer noch weiteren, einer dritten Lesart des Evangeliums: In der Geschichte fehlt das erleichterte Aufatmen. Es gibt kein: wir sind noch mal davon gekommen. Es gibt auch kein Gotteslob wie sonst nach wundersamer Rettung. Statt dessen herrscht Furcht und Schrecken. Damit endet auch das ganze Evangelium: Die Frauen am leeren Grab sind außer sich vor Entsetzen und zittern vor Furcht. Vielleicht endet alles damit, weil der Evangelist sein Buch vor dem Hintergrund einer furchtbaren Katastrophe schreibt, nämlich dem jüdisch-römischen Krieg zwischen 66 und 70. Und er verbindet dieses Kapitel der Geschichte des jüdischen Volkes mit der Lebens- und Heilsgeschichte Jesu. Beides kann man sich parallel verlaufend und auch ineinander verwoben vorstellen. Das Evangelium ist, auf diese Weise gelesen, „erzählte Solidarität“ (Andreas Bedenbender). Jesu Weg verläuft aus dem Norden kommend nach Jerusalem die Straße entlang, an der damals viele, selbst für römische Verhältnisse sehr viele Kreuze errichtet waren. Und auch das Meer, das Jesus stillt, ist Ort eines Massakers gewesen. Im Spätsommer 67 hatten die Römer die am See Genezareth gelegene Stadt Taricheja erobert. Viele Aufständische flohen in Booten auf den See hinaus, wurden aber von den Römern eingeholt und umgebracht. Wenn Jesus hier den Sturm stillt, dann geht es also nicht nur um unseren Seelenfrieden. Es geht auch ganz konkret um den Frieden für das jüdische Volk.
Jesus bittet darum, übergesetzt zu werden. Der Evangelist bittet mit dieser Einleitung seiner Geschichte darum, diese Übersetzungsleistung zu vollbringen. Warum seid ihr so furchtsam, habt ihr noch keinen Glauben? „Warum seid ihr so feige?“, auch so kann man die Frage Jesu nach dem Wunder übersetzen. Der Evangelist stellt mit seiner Frage dem Glauben nicht den Unglauben gegenüber, sondern die Feigheit. Darum geht es also: Wir dürfen und können auch die historischen und politischen Katastrophen nicht außer Acht lassen. Wir müssen auch vor diesem Hintergrund mutig festhalten am Sieg des Auferstandenen über alle Mächte des Todes und der Finsternis. Amen.
Lasst uns beten:
Mächtiger Gott, Du kannst den Sturm stillen und Menschen retten. Im Vertrauen darauf bitten wir Dich, gib den Kindern und Jugendlichen Orientierung in diesen aufregenden Zeiten. Dass sie lernen können, was gut und richtig ist, um im Leben zu bestehen.
Schenke allen Menschen Ruhe in der Hektik des Alltags, damit sie sich ausruhen, zu sich selbst finden und zu Kräften kommen können.
Ermahne alle in dieser immer friedloser werdenden Welt, mehr denn je zusammenzuhalten, solidarisch miteinander umzugehen und Frieden zu stiften.
Schaffe Räume der Stille, um darin geborgen zu sein, auch wenn die Welt um einen herum unterzugehen droht. Stärke den Glauben daran, mit Dir nicht im Uferlosen ertrinken zu können.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gibt uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Amen
Die Glocken unserer Kirche läuten zum Innehalten und zum Gebet: werktags um 8 Uhr, um 12 Uhr und um 18 Uhr.
Die Kirche ist Montag bis Freitag von 10-15 Uhr und am Sonntag nach dem Gottesdienst bis 12 Uhr geöffnet.
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Wir grüßen Sie im Namen des Kirchengemeinderates und aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an St. Marien herzlich.
Ihre Pastorin Dr. Ulrike Streckenbach und Ihr Pastor Dr. Magedanz